Travel around the clock:
Warum hast du dich genau für diese Länder entschieden? Was hat dich damals vorab an diesen Destinationen gereizt?
Christoph Schneller:
Anfangs war die Auswahl der Reiseziele sehr stark von Fußballgesichtspunkten beeinflusst: Wo spielt mein Verein? Wo spielt die Nationalmannschaft? Wo finden besondere Spiele, zum Beispiel Derbys statt, Spiele in besonderen Stadien oder von besonders bekannten Clubs und Fanszenen. Und vor allem: Wo war ich noch nicht? Auch auf den Reisen habe ich immer darauf geachtet möglichst viel von Land und Leuten mitzubekommen, Städte und kulturelle Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Der große Mehrwert der fußballbezogenen Reisen war und ist, dass man auch Städte und Ecken von Ländern kennenlernt, die man unter „normalen“ touristischen Gesichtspunkten nie entdecken würde. Auf jeder Tour habe ich dann in Zeitschriften im Flieger Hinweise zu bis dato noch nicht bekannten Ländern oder Sehenswürdigkeiten aufgeschnappt – oder auch in Erzählungen und Reisereportagen. Und da gab es dann häufig einige Ziele, da hat es im Kopf direkt ein „da muss ich hin“ gemacht, unter anderem den Komodo-Waranen nach Indonesien oder den Machu Picchu nach Peru. An gekünstelte Instagram-Fotos war zum Glück in den Zeiten noch nicht zu denken.
Auch die Liste der sogenannten „neuen 7 Weltwunder“ bot dann einen Reiz diese zu besuchen. Und so kam es bei mir, dass ich nicht nach jeder Reise mit einem Reiseziel weniger im Gepäck zurückkam, sondern meistens direkt ein paar neue dabei hatte. Auf manchen Touren und Reisen boten sich auch Abstecher zu Destinationen an, die eher nicht als einzelnes Ziel bereist worden wären: Wenn man schon auf dem Weg nach Japan ist, kann man auch noch Halt in Südkorea machen. Auf einer Reise durch Malaysia oder Indonesien liegt ein kleiner Abstecher nach Brunei oder Ost-Timor nahe. Und es gibt dann eben noch diese Reiseziele, die man bereisen muss, um nochmal selbst festzustellen, dass es eigentlich nichts zu sehen gibt und man hierhin nicht reisen müsste.
Travel around the clock:
Gibt es bestimmte Situationen, an die du dich zurückerinnerst bzw. die dich vielleicht sogar für dein weiteres Leben geprägt haben?
Christoph Schneller:
Je nachdem mit welcher Einstellung und Offenheit man auf Reisen geht und je nach Reiseart, kann aus meiner Sicht jede Reise ganz wertvolle Erkenntnisse für den eigenen Alltag liefern. Mir sind einige exemplarische Situationen besonders im Kopf geblieben. Noch mehr Erkenntnisse sind aber wahrscheinlich unterschwellig im Kopf und meinen heutigen Denkweisen verankert: Bei einem Urlaub in Ägypten 2006 arbeitete in einem Kiosk vor unserem Hotel ein junger Mann jeden Morgen von 7.00 Uhr bis abends um 23.00 Uhr, bevor er dann im kleinen Kiosk übernachtete. 7 Tage die Woche. Und dies nicht um großen Wohlstand, Konsum, die nächste Reise mit der Familie zu finanzieren, seine Beiträge für Sozialversicherungen, Altersvorsorge zu leisten oder sich am Wochenende ausgiebig zu vergnügen. Nein, er erklärte dass er mit dem niedrigen Lohn ein kleines Häuschen und das tägliche (Über)Leben seiner Frau und Kind sichern müsse. Ähnliche Beispiele habe ich in Indien oder Indonesien erlebt. Dies zeigt in welchen unterschiedlichen Welten wir auf unserer Erde nach wie vor leben – insbesondere mit Blick aufs Leben, Konsum, (sozialer) Absicherung und vieles mehr.
In Myanmars „Touristen-Hotspot“ Bagan bot die Gier der dortigen Taxi-Fahrer einen so krassen Kontrast zur bis dahin erlebten unglaublichen Freundlichkeit im Land. Da stellte ich mir die Frage, wie Tourismus teilweise auch dazu beitragen kann, dass Charaktere verdorben werden und eine Gier entfacht wird. In Zeiten in denen immer mehr Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen reisen und teils in Horden in manchen Zielen regelrecht einfallen – ohne Rücksicht oder Respekt vor den Einheimischen zu haben – frage ich mich auch, wie weit Reisen Kulturen positiv bereichern kann und wo eigentlich eher die negativen Begleiterscheinungen vieles zerstören oder verderben. Auch bettelnde Kinder in Indien, „Schnüffelkinder“ in Rumänien, oder Kinder die Souvenirs verkaufen oder anderweitig einfache Arbeiten erledigen müssen, anstatt die Schule zu besuchen, haben bleibende Eindrücke hinterlassen. Wer viel gereist ist, weiß umso besser einzuschätzen, wie unglaublich gut es uns in Europa geht und dass wir eigentlich nahezu keine Sorgen haben (müssten), sondern viel positiver und dankbarer jeden Tag begegnen sollten und viel genügsamer und glücklicher sein könnten.